Direkt zum Inhalt
EN
Pressemitteilung

Sollte die Kundschaft wissen, wie lange sie in der Weihnachtszeit in der Warteschlange stehen muss?

People queuing
Unternehmen sollten Informationen über die Länge der Warteschlange teilweise verbergen, wenn ihre Produkte sehr beliebt und wertvoll sind, so eine Studie der ESMT Berlin. Indem sie diese Information teilweise verbergen, werden sie wahrscheinlich mehr Kundinnen und Kunden in der Warteschlange generieren, so die Forscher. Bei Produkten mit geringer Nachfrage und geringem Wert sollten die Unternehmen die Information über die Länge der Warteschlange jedoch nicht verbergen, da dies wahrscheinlich den gegenteiligen Effekt hat und die Kundschaft abschreckt.

Dies ist das Ergebnis einer Studie von Tamer Boyaci, Professor für Management Science an der ESMT Berlin, und seinem Kollegen Caner Canyakmaz, Professor an der Ozyegin Universität. Die Forscher wollten verstehen, wie sich Informationen über Warteschlangen auf die Anzahl der Kundinnen und Kunden auswirken, die sich in die Warteschlange einreihen. 

Ein Großteil der akademischen Forschung über Warteschlangen und Warten geht davon aus, dass eine Warteschlange entweder sichtbar oder unsichtbar ist. Aus Sicht der Kundschaft sind Warteschlangen in der Praxis jedoch eher undurchsichtig – weder perfekt sichtbar noch unsichtbar. Das liegt daran, dass die Ermittlung der genauen Anzahl der Kundinnen und Kunden in der Warteschlange und die damit verbundene Wartezeit Aufmerksamkeit und kognitive Anstrengung erfordern, die allesamt nur begrenzt vorhanden sind. Es kann sich schlicht als unmöglich erweisen, diese Berechnungen anzustellen, und in einigen Fällen ist es vielleicht nicht sinnvoll, sich die Mühe zu machen, sie zu ermitteln. Diese Studie untersucht die Verfügbarkeit von Teilinformationen und deren möglichen Einfluss auf die Entscheidung der Kundschaft, sich in die Warteschlange einzureihen. 

Um dies herauszufinden, erstellten die Forscher ein Gleichgewichtsmodell, das ein Warteschlangensystem mit nur einem Server simulierte, bei dem die Kundinnen und Kunden nicht auf Aspekte der Umgebung achten und sich entsprechend in die Warteschlange für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung einreihen. Nachdem sie die der Kundschaft zur Verfügung stehenden Informationen über die Länge der Warteschlange sowie die Art des Produkts, für das sie anstanden, geändert hatten, stellten die Forscher fest, dass das teilweise Verbergen von Informationen Kundinnen und Kunden zu hochwertigen und sehr beliebten Produkten locken kann. 

Die Forscher schlagen vor, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie Unternehmen Informationen über Warteschlangen teilweise weitergeben können. So könnte man einfach die Anzahl der Personen in der Warteschlange von hinten nach vorne anzeigen, den Kundinnen und Kunden eine Nummer in der Warteschlange geben oder ihnen eine ungefähre Schätzung der Wartezeit geben. Diese Informationen ermöglichen es der Kundschaft, eine bewusstere und fundiertere Entscheidung darüber zu treffen, ob sie sich in die Warteschlange einreihen. 

Professor Tamer Boyaci sagt: „Unsere Forschung zeigt klar auf, wann mehr (oder weniger) Informationen vorteilhaft sind, und gibt den Unternehmen somit eine verbindliche Anleitung für die Bereitstellung von Informationen. Wenn zum Beispiel die Kundschaft die Dienstleistung gut einschätzen und eine robuste Nachfrage besteht, sollten Unternehmen absichtlich eine gewisse Ungewissheit über die Länge der Warteschlange zulassen. In diesem Sinne ist Disneys Verwendung spezieller Layouts, die die Länge der Warteschlangen besonders verschleiern, eine vernünftige Strategie. In krassem Gegensatz dazu ist es genau das, was eine Drive-Through-Fastfood-Kette vermeiden sollte. Unser Modell kann auch Aufschluss darüber geben, ob es besser ist, Informationen über die Länge der Warteschlange, die Geschwindigkeit der Bedienung oder einen anderen Aspekt der Umgebung bereitzustellen. Wir stellen zum Beispiel fest, dass die Kundschaft sich weniger sträubt, wenn sie versucht, die Länge der Warteschlange zu erkennen, als wenn sie die Geschwindigkeit der Bedienung erfährt, was darauf hindeutet, dass es für das Unternehmen effektiver ist, die Geschwindigkeit der Bedienung sichtbar zu machen.” 

Diese Untersuchung ist laut den Forschern in der Weihnachtszeit besonders relevant, da Schlangestehen wahrscheinlich eine Folge vieler festlicher Aktivitäten ist. Ob es sich nun um den Kauf von Geschenken für Freunde und Familie in einem Geschäft oder die Teilnahme an festlichen Veranstaltungen handelt, alle Aktivitäten beinhalten eine Form des Anstehens und eine bewusste Entscheidung darüber, ob sich der Zeitaufwand aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher lohnt. 

Die Forscher sagen, dass die Ergebnisse in Dienstleistungsbereichen genutzt werden können, in denen Unternehmen besonders vorsichtig mit der begrenzten Aufmerksamkeit der Kunden umgehen sollten. Sie könnten diese Ergebnisse in Strategien für die Bereitstellung von Informationen und die Gestaltung von Dienstleistungen umsetzen. Die wichtigsten Erkenntnisse können Unternehmen dabei helfen, die Anzahl der Menschen, die in der Weihnachtszeit für ihre Produkte anstehen und diese kaufen, zu maximieren.   

Weitere Informationen zu dieser Studie finden Sie hier

 

Über die ESMT Berlin

Die ESMT Berlin ist eine weltweit führende Wirtschaftsuniversität. Von 25 globalen Unternehmen gegründet, bietet die ESMT Master-, MBA- und PhD-Studiengänge sowie Managementweiterbildung an. Die Kurse werden auf dem Berliner Campus, an Standorten weltweit, online sowie als hybride Kurse mit Teilpräsenz angeboten. Mit einem Fokus auf Leadership, Innovation und Analytics veröffentlichen die Professorinnen und Professoren der ESMT regelmäßig ihre Forschungsergebnisse in führenden wissenschaftlichen Publikationen. Zusätzlich bietet die ESMT eine Plattform für den Diskurs zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die ESMT ist eine staatlich anerkannte private wissenschaftliche Hochschule mit Promotionsrecht und ist von AACSB, AMBA, EQUIS und ZEvA akkreditiert. Die Business School engagiert sich für Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion in all ihren Aktivitäten und Gemeinschaften.