Martin Schweinsberg, Associate Professor an der ESMT Berlin, hat zusammen mit Hannes M. Petrowsky, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Burkhardt Funk, Professor, und David D. Loschelder, Professor, alle von der Leuphana Universität Lüneburg, untersucht, wie tief eine Käuferin oder ein Käufer mit einem ersten Angebot gehen kann, ohne die Verkäuferin oder den Verkäufer zu verärgern. Vor jeder Verhandlung müssen die Entscheidungstragenden einen entscheidenden Kompromiss zwischen zwei gegensätzlichen Effekten abwägen. Während niedrigere Erstangebote den Kaufenden zugutekommen, indem sie den Preis zu ihren Gunsten verankern, erhöht ein zu ehrgeiziges Angebot das Risiko einer Sackgasse und blockiert damit möglicherweise eine Einigung insgesamt.
Die Ergebnisse von 26 Millionen eBay-Verhandlungen belegen einen linearen Verankerungseffekt, der zeigt, dass niedrigere Erstangebote von Käuferinnen und Käufern den endgültigen Verkaufspreis effektiv senken. Die Analyse zeigt jedoch auch einen nichtlinearen Effekt der Erstangebote auf das Risiko von Verhandlungspatt-Situationen in drei Bereichen. Das Risiko einer Verhandlungsblockade nimmt zunächst ab („Sicherheitszone” für Angebote zwischen 100 und 90 Prozent des ursprünglichen Angebotspreises), steigt dann stetig an („Beschleunigungszone” für Angebote zwischen 90 und 20 Prozent des ursprünglichen Angebotspreises) und erreicht schließlich ein Plateau mit konstantem Blockaderisiko („Sättigungszone” für Angebote unter 20 Prozent des ursprünglichen Angebotspreises).
Darüber hinaus ermittelten die Forscher mehrere Punkte, an denen das Risiko einer Pattsituation sinkt – Käuferinnen und Käufer können diese Punkte zu ihrem Vorteil nutzen. Wenn eine verkaufende Person beispielsweise 100 Dollar für ein Produkt verlangt, können die Kaufenden ihre Chance auf einen Abschluss erhöhen, indem sie 50 Dollar anbieten anstatt 51 Dollar. Diese Rückgänge treten an markanten Punkten auf, für die sich Bruchteile leicht berechnen lassen (z. B. 50 Prozent, 75 Prozent oder zwei Drittel) und die mental leicht zu verarbeiten sind.
„Unsere Studie bietet einen datengestützten Ansatz, um das Rätsel des ersten Angebots in Verhandlungen zu verstehen”, sagt Martin Schweinsberg. „Durch die Analyse von Millionen von Verhandlungen auf eBay konnten wir den idealen Punkt für ein niedriges erstes Angebot identifizieren, das die Chancen auf eine erfolgreiche Einigung maximiert.”
Insgesamt widersprechen die Ergebnisse der vorherrschenden Meinung, dass der endgültige Verkaufspreis irgendwo in der Mitte zwischen dem ursprünglichen Angebot der Käuferin oder des Käufers und der Preisvorstellung der verkaufenden Person liegt. Im Gegensatz dazu fanden die Forscher Belege für eine neue Art von Käufervorurteilen: Die endgültigen Verkaufspreise liegen näher an den ursprünglichen Angeboten der Kaufenden als an den Preisvorstellungen der Verkaufenden. Somit haben die Erstangebote der Kaufenden einen größeren Einfluss als bisher angenommen.
Die gesamte Studie „How Low Should You Go? Low First Offers and Negotiation Outcomes” wurde in PNAS veröffentlicht und kann hier eingesehen werden. Eine kostenlose Version der Studie kann hier gelesen werden.