Die Ergebnisse stammen aus einer neuen Studie von Linus Dahlander, ESMT Berlin, zusammen mit Arne Thomas, Amsterdam Business School, Martin Wallin, Chalmers University of Technology, und Rebecka Ångström, Stockholm School of Economics.
Die Forschenden wollten herausfinden, ob es Verzerrungen bei der Bewertung der Ideen von Mitarbeitenden durch Managerinnen und Manager gibt. Sie führten ein Feldexperiment in einem großen multinationalen Technologieunternehmen durch, bei dem sie zwei verschiedene Arten der Ideenbewertung testeten: eine, bei der die Managerinnen und Manager nichts über die Person wussten, die die Idee hatte (was als „Verblindung” bezeichnet wird), und eine, bei der sie den Namen der Person, die Abteilung, für die sie arbeitete, und ihren Standort kannten. Die Ergebnisse waren überraschend: Die Forschenden stellten keine Voreingenommenheit gegenüber Frauen und Mitarbeitenden, die nicht am selben Standort und in derselben Abteilung wie die bewertende Person tätig waren, fest.
„Oftmals verwenden die Bewertenden die Informationen, die sie über den Ideengebenden wissen, als Signal für die Qualität der Idee. Dies kann sich noch verstärken, wenn den Bewertenden Informationen, Fachwissen oder Ressourcen fehlen, um die Details einer Idee zu beurteilen”, sagt Linus Dahlander. „Frühere Forschungen haben gezeigt, dass etwa Vetternwirtschaft und Hierarchie einen Einfluss darauf haben können, ob eine Idee positiver bewertet wird. Im Gegensatz dazu zeigen unsere neuen Ergebnisse deutlich, dass das Geschlecht, eine gemeinsame Abteilung oder der Standort der bewertenden Person keinen Einfluss darauf hat, ob die Idee genehmigt wird. Es ist klar, dass Vorurteile gegenüber diesen Gruppen auch an anderen Stellen bestehen, aber möglicherweise nicht universell sind.”
Was können Unternehmen in Anbetracht dieser Erkenntnisse tun? „Unsere Forschungsergebnisse zeigen den Managerinnen und Managern, dass das bloße Verbergen der Identität von Ideenvorschlägen, d. h. das, was wir ‘Verblindung’ nennen, kein Königsweg zur Verbesserung der Ideenbewertung ist”, erklärt Linus Dahlander.
Zur Durchführung der Studie verwendeten die Forschenden ein Blindbewertungsinstrument, ähnlich wie bei Blindrekrutierungen, Blindauditions und Blindbewertungen in der Wissenschaft, um mögliche unbewusste Voreingenommenheit der Bewertenden auszuschließen. Die Logik war einfach: Wird eine Idee anders bewertet, wenn man die Identität der Person sehen kann, die sie vorgeschlagen hat, als wenn man nur die Idee sieht, aber nichts über ihren Ursprung weiß?
Die Forschenden baten 38 Innovationsmanagerinnen und -manager eines führenden multinationalen Unternehmens im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, die allesamt Erfahrung in der Bewertung von frühen Geschäftsideen hatten, die von anderen Mitarbeitenden vorgeschlagenen Ideen zu bewerten. Einige Ideen wurden in einer blinden Bedingung dargestellt, bei der die Bewertenden keine Informationen über die Ideengebenden erhielten, während andere in einer nicht blinden Bedingung mit Informationen über die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter hinter der Idee dargestellt wurden. Alle Innovationsmanagerinnen und -manager bewertete fast 50 verschiedene Ideen, von denen die Hälfte blind und die andere Hälfte nicht blind war. Um sicherzustellen, dass die Bewertenden bei ihrer Entscheidungsfindung ehrlich handelten, wussten sie nicht, dass die Bewertungsaufgabe Teil eines größeren Experiments war.
Die Forschenden fanden heraus, dass die Innovationsmanagerinnen und -manager die von Männern und Frauen vorgeschlagenen Ideen mit der gleichen Punktzahl bewerteten, was zeigt, dass das Geschlecht des Ideenvorschlags keinen Einfluss darauf hatte, ob die bewertende Person die Idee für gut hielt oder nicht. Die Forschenden fanden auch heraus, dass die Tatsache, ob eine bewertende Person dieselbe Einheit und denselben Standort wie die ideengebende Person hatte, keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit hatte, dass die Idee gebilligt wurde.
Da die Bewertung für Unternehmen kein Endziel ist, sondern einer von vielen Schritten auf dem Weg von einer Idee zu einem erfolgreichen Produkt, schlagen die Forschenden vor, dass die Verblindung in kleinerem Maßstab am hilfreichsten ist, um festzustellen, ob, wie und wo Voreingenommenheit besteht, bevor eine Initiative zur Bewertung von Ideen innerhalb einer Organisation oder organisationsübergreifend ausgeweitet wird. Sie ermutigen Unternehmen, die Verblindung sorgfältig zu testen und zu erproben, um herauszufinden, wie weit verbreitet Vorurteile in ihrer Organisation sind. Denn Voreingenommenheit ist nicht so allgemein, wie wir vielleicht denken, und Verblindung ist eindeutig nicht die einzige Lösung zur Verbesserung der Ideenbewertung.
Diese Forschungsergebnisse wurden im Strategic Management Journal veröffentlicht.